Im Bielatal in der Sächsischen Schweiz übten die Höhlenrettungsgruppen Deutschlands an diesem Wochenende für den Ernstfall: Eine junge Höhlenforscherin war bis in die hinteren Teile der Wohlrabhöhle geklettert, konnte dann aber den Aufstieg aus eigener Kraft nicht bewältigen. Bei ihren Versuchen, den 25 cm schmalen Kamin hinaufzuklettern verletzte sie sich an der Hand und musste schließlich entkräftet aufgeben. Außerdem wurde ein junger Mann vermisst, der am Vortag eine Höhlentour durchs Bielatal unternommen hatte, aber bis zum nächsten Morgen nicht wieder in seiner Pension aufgetaucht war.
Zu Hilfe kamen insgesamt 32 Höhlenretter aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen. Zunächst galt, es die Vermissten zu finden. Bei den über 30 Höhlen im Bielatal war das keine leichte Aufgabe. Schließlich sind die meisten Höhleneingänge nur kleine Spalten im Fels.
Zur Koordinierung des Großeinsatzes wurde eine mobile Einsatzleitung eingerichtet und die Höhlenretter in Suchtrupps organisiert. Bereits nach kurzer Zeit wurden die Höhlenforscherin und ihr Begleiter in der "Wohlrabhöhle" entdeckt. Auch der zweite Vermisste wurde wenig später in der "Tiefen Höhle" gefunden. Er hatte sich bei einem Absturz in den "Buchraum" schwer verletzt. Die Enge der Höhle und die Schwere der Verletzungen erforderten den Einsatz von Spezialtragen. An den besonders verwinkelten Engstellen kam ein Rettungskorsett zum Einsatz. Der Patient musste in den Schächten mit Hilfe von Flaschenzügen in senkrechter Lage heraufgezogen werden. Als Verankerung dienten dabei die extra für den Einsatz im Sandstein modifizierten Schwerlast-Spreizanker der Höhlenrettung Sachsen. Nach insgesamt fünf Stunden konnte der Patient die Höhle verlassen.
Auch die Rettung aus der "Wohlrabhöhle" erforderte den vollen Einsatz der Retter. Die Herausforderung: Nur besonders schlanke Höhlenretter konnten die Patientin erreichen. Der Einsatz von Trage, Gurten und Sicherungsmaterial ist in den tiefen Teilen der Höhle aufgrund der Enge nicht möglich. Mit großem körperlichem Einsatz halfen die Retter der Höhlenforscherin durch den engen Kamin nach oben. Trotz verletzter Hand konnte sie bei ihrer Rettung noch aktiv mithelfen und zumindest die Gehstrecken selbstständig zu Fuß zurücklegen. Dennoch war an den zahlreichen leichten Kletterstellen noch einmal der Einsatz von Seil und Flaschenzug nötig. Während die Patientin noch in der Höhle medizinisch versorgt wurde, bauten die Höhlenretter am Einstiegsschacht bereits ein Zugsystem auf. Mit der Gegengewicht-Methode wurde die Patientin schließlich im 30-m-Schacht nach oben gezogen und konnte die Höhle acht Stunden nach der Alarmierung der Rettungskräfte verlassen.
Weil das gemeinsame Üben der Retter aus ganz Deutschland und der daraus resultierende Erfahrungsaustauschsehr wichtig und wertvoll sind, haben sich die Höhlenrettungsgruppen im Höhlenrettungsverbund Deutschland (HRVD) zusammengeschlossen. Nationale Großübungen wie diese finden im Rhythmus von zwei Jahren an jeweils unterschiedlichen Übungsorten statt. Höhlenrettungseinsätze erfordern häufig großen materiellen und personellen Aufwand, weshalb die einzelnen Gruppen im Fall einer überregionalen Alarmierung gut zusammenarbeiten müssen.
Die Höhlenrettung Sachsen konnte die Übung in "ihrem" Einsatzgebiet als Erfolg verbuchen. Die Zusammenarbeit zwischen den Gruppen funktionierte reibungslos. Etwas mehr "Man-Power" hätte man sich an der einen oder anderen Stelle gewünscht. Letztendlich war eine Erkenntnis der Übung, dass auch die sächsischen "Kleinhöhlen" den erfahrenen Höhlenretter an körperliche Grenzen bringen können. Geschafft aber glücklich konnten alle Retter und "Patienten" am Abend die Höhlen verlassen und den Tag beim gemeinsamen Grillen ausklingen lassen.
Ein großes Dankeschön geht an die Höhlenrettung Sachsen als Organisatoren der Übung, an alle Helfer und Mimen, den Landesverband der Bergwacht Sachsen für logistische und finanzielle Unterstützung, an den HRVD und den SBB, sowie an den DRK Kreisverband Sebnitz und Lichtenauer Mineralquellen für finanzielle und materielle Unterstützung.
Autor: Max Oswald, Bereitschaftsleiter Bergwacht Dresden
Fotos: Marko Förster